Tätigkeitsschwerpunkte der Landeskartellbehörde

Hier finden Sie eine Übersicht zu folgenden Themen:

Beratung und informelle Einflussnahme, Boykottaufrufe, Kartellverstöße, Missbrauchsaufsicht, Preis- und Auftragsabsprachen, Unzulässige Empfehlungen und Druckausübungen.

Strommast Pixabay

Viele Wettbewerbsbehinderungen können bereits vor Einleitung eines förmlichen Verfahrens beseitigt werden. Infolge des informellen Hinweises der Landeskartellbehörde auf die Unzulässigkeit eines bestimmten Verhaltens geben schon viele Unternehmen ihr zu beanstandendes Verhalten auf. Ähnliche Bedeutung hat die Beratung vor allem mittelständischer Unternehmen über die Zulässigkeit bestimmter Formen der Zusammenarbeit.

Die Landeskartellbehörde Hessen bietet an, ein Vorhaben zunächst informell mit ihr abzustimmen, bevor Verträge notariell beurkundet oder größere Investitionen getätigt werden.

Auch das Bundeskartellamt hat Merkblätter über die „Kooperationsmöglichkeiten für kleinere und mittlere Unternehmen nach dem Kartellgesetz“ und zur Legalisierung anderer Kartelle veröffentlicht.

Daneben entfällt ein großer Teil der täglichen Arbeit der Kartellbehörde auf die Beratung von anderen Dienststellen des Landes und der Kommunen zu kartell- und anderen wettbewerbsrechtlichen Fragen. Aus der Erfahrung des Gesetzesvollzuges entstehen schließlich auch rechts- und wirtschaftspolitische Initiativen, die aus dem Kartellreferat in die Arbeit der Bundesratsgremien eingespeist werden.

Ein Diskriminierungstatbestand, also die Weigerung eines Unternehmens mit einem Nachfrager oder einem Anbieter Vertragsbeziehungen (ggf. wieder) aufzunehmen, hängt oft mit anderen Kartellverstößen zusammen.

So geht der Lieferverweigerung eines Herstellers gelegentlich die entsprechende Aufforderung eines Einzelhändlers voraus, der seine bisherige Alleinstellung in seinem Einzugsbereich beim Verkauf bestimmter Produkte durch die Aufnahme eines weiteren Vertriebspartners gefährdet sieht.

Solche Konflikte sind kartellrechtlich immer über eine Abwägung der betroffenen Interessen „unter besonderer Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbes gerichteten Zielsetzung des Kartellgesetzes“ - so der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung - zu lösen. Das Interesse eines Händlers, am Ort der einzige Anbieter eines bestimmen Produktes zu bleiben, muss - außer in speziellen, vertraglich konkret geregelten Fällen - in der Regel zurücktreten hinter das Interesse eines anderen Unternehmers, der versucht, durch ein eigenes Angebot Wettbewerb entstehen zu lassen oder zu verstärken. Ist der Aufruf zu einer Liefersperre also „unbillig“, stellt er eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 1 Mio. € bedroht ist.

Kartellverbot

Man spricht von einem Kartell, wenn mehrere konkurrierende Unternehmen ihr Verhalten auf dem in jedem Einzelfall zu konkretisierenden „relevanten Markt“ koordinieren, um den Wettbewerb zu beeinträchtigen. Bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand geschieht dies z. B. durch Preis- oder Auftragsabsprachen, ansonsten etwa durch Mengen- oder Gebietsabsprachen. Da solche Vereinbarungen den Wettbewerb verhindern, einschränken oder seine Verfälschung bezwecken, sind sie nach Art. 101 Abs. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bzw. nach § 1 GWB verboten.

Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen

Im Gegensatz zu Kartellen wirken sich vertikale Wettbewerbsbeschränkungen auf verschiedenen Wirtschaftsstufen aus, also z.B. zwischen Lieferanten und Abnehmern. Auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen sind grundsätzlich verboten.

Einfaches Beispiel für eine solche Wettbewerbsbeschränkung ist, dass ein Warenhersteller einem Einzelhändler vorschreibt, welche Preise dieser von den Endverbrauchern fordern soll.

Es gibt allerdings Freistellungen von dem Verbot vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen, die der sog. Vertikal-GVO der Europäischen Kommission vom 20.04.2010 (ABl. L 102/1) zu entnehmen sind.

Nach der Vertikal-GVO sind typische Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf verschiedenen Produktions- oder Vertriebsstufen von dem Verbot vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen freigestellt, wenn der Anteil sowohl des Lieferanten als auch des Abnehmers an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder Dienstleistungen verkauft, 30 % nicht überschreitet.

Zu dieser Freistellung regelt die Vertikal-GVO zugleich wichtige Rückausnahmen. So gilt das Verbot der „Preisbindung der zweiten Hand“; allerdings darf der Lieferant Höchstverkaufspreise festsetzen und Preisempfehlungen aussprechen, sofern sich diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen   tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken.

Darüber hinaus gibt es z.B. Ausnahmen für essentielle Klauseln in selektiven Vertriebssystemen (z. B. die Beschränkung des Verkaufes an nicht vom Lieferanten zugelassene Händler).

Spezialregelungen zum Verbot der Preisbindung enthalten das Gesetz über die Preisbindung bei Verlagserzeugnissen (BGBl 2002 I S. 3448) und der für Zeitungen und Zeitschriften geltende § 30 GWB.

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Marktbeherrschende Unternehmen dürfen ihre Marktstellung nicht zu einem missbräuchlichen Verhalten, wie zum Beispiel dem Fordern überhöhter Preise, ausnutzen.

Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, wenn es auf dem relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern eine überragende Marktstellung hat. Ab einem Marktanteil von mindestens 40% wird eine marktbeherrschende Stellung vermutet, vgl. § 18 Abs. 4 GWB. Sonderregelungen gelten für die Wasserversorger, die in ihrem Versorgungsgebiet ein Monopol besitzen (§§ 31 ff. GWB).

Marktbeherrschende Unternehmen dürfen andere Unternehmen insbesondere nicht unbillig behindern, ohne sachlich gerechtfertigten Grund anders behandeln als gleichartige Unternehmen oder Entgelte fordern, die sich bei wirksamen Wettbewerb nicht ergeben würden.

Auch marktstarken Unternehmen, von denen kleine und mittlere Unternehmen abhängig sind, werden durch das GWB bestimmte Verhaltensweisen untersagt.  Insbesondere dürfen sie die von ihnen abhängigen Unternehmen nicht unbillig behindern oder auffordern, ihnen ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren. Eine unbillige Behinderung liegt zum Beispiel vor, wenn ein marktstarkes Unternehmen für die Lieferung von Waren höhere Preise fordert, als es selbst auf dem Vertriebsmarkt verlangt (Preis-Kosten-Schere) oder Lebensmittel unter Einstandspreis verkauft.

Unabhängig von der Marktstellung gilt für alle Unternehmen das Boykottverbot. Danach ist es untersagt, andere Unternehmen zu Liefer- oder Bezugssperren gegenüber dritten Unternehmen aufzufordern.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der kartellbehördlichen Arbeit in Hessen liegt in der Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen marktbeherrschende oder marktstarke Anbieter.

Vor allem Newcomer haben weder die finanziellen Ressourcen noch das entsprechende know how, um beispielsweise Belieferungsansprüche gegen Hersteller von bedeutenden Markenartikeln durchzusetzen. Die Landeskartellbehörde bemüht sich deshalb im Rahmen ihrer Möglichkeiten, den behinderten Mittelständlern aufwändige Zivilprozesse zu ersparen und zu einer tragfähigen Lösung des Konfliktes mit dem Lieferanten beizutragen.

Ein entscheidendes Kriterium für die Anwendung des Diskriminierungsverbotes im Einzelhandel ist die Frage, ob dem nicht belieferten Einzelhändler zugemutet werden kann, das Interesse des Kunden für ein nicht vorhandenes auf ein konkurrierendes Produkt umzulenken oder ob die Tatsache, dass der betreffende Einzelhändler das namhafte und begehrte Produkt nicht in seinem Sortiment führt, seinen Ruf und damit seine Wettbewerbsfähigkeit entscheidend beeinträchtigt.

Auch die öffentliche Hand als oft marktstarker Nachfrager nach bestimmten (Bau-) Leistungen gerät hin und wieder ins Visier der Kartellbehörden. Die Vergabe öffentlicher Aufträge und deren Nachprüfung ist im Gesetz (§ 97 ff GWB) speziell geregelt und die Vergabekammern sowie die Vergabesenate der Oberlandesgerichte auch rege in Anspruch genommen werden, hat das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot insoweit an Bedeutung verloren.

Gegenstand von Diskriminierungsverfahren waren bislang ganz unterschiedliche Begehren. So ging es beispielsweise um die Belieferung mit

  • namhaften Parfüms
  • stark nachgefragten Sportschuhen
  • Surfsportartikeln
  • Ersatzteilen für technische Geräte
  • Zeitungen und Zeitschriften
  • Optischen Gläsern

und um die Zulassung als

  • weiterer Systembetreiber nach der Verpackungsverordnung
  • Krankentransportunternehmer
  • Verkaufsstelle für Nahverkehrstickets
  • Abschleppunternehmen zur Vermittlung über eine zentrale Notrufstelle
  • Aussteller bei Messen
  • Taxiunternehmen zur Funkvermittlung

und um

  • die Vermietung von Räumen der Kfz-Zulassungsstelle an Schilderhersteller
  • Bezugsbindungen in Standmietverträgen auf Volksfesten

Seit vielen Jahren weist die Landeskartellbehörde Hessen mit die höchsten Verfahrenszahlen unter den Bundesländern wegen der Verfolgung von Preisabsprachen bei Vergabeverfahren der öffentlichen Hand auf. Die intensive Zusammenarbeit mit Strafverfolgungs- und Polizeibehörden in Hessen hat Vorbildcharakter und ermöglicht einen effektiven Einsatz der bei allen beteiligten Behörden knappen Ressourcen.

Seit Inkrafttreten des Korruptionsbekämpfungsgesetzes 1997 sind die Kartellbehörden allein zuständig für die Verhängung von Geldbußen gegen juristische Personen (§ 30 OWiG) und deren leitende Mitarbeiter, die eine Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) begangen haben; der Absprachetäter wird nach § 298 StGB von der Staatsanwaltschaft bzw. nach einer Einstellung des Strafverfahrens ebenfalls von der Kartellbehörde (nach § 81 GWB) verfolgt. Die Ermittlungsverfahren sind meist wegen der Vielzahl von beschuldigten Personen und betroffenen Ausschreibungen sehr arbeitsintensiv und zeitaufwändig.

Für Preis- und Auftragsabsprachen ist nach den Erfahrungen der Landeskartellbehörde Hessen vornehmlich, aber nicht ausschließlich, das Baugewerbe anfällig. So waren oder sind folgende Marktsegmente Gegenstand von Ordnungswidrigkeits- oder Verwaltungsverfahren:

  • Trinkwasserleitungsbau
  • Heizung/Lüftung/Klima/Sanitär
  • Schwimmbadsanierung
  • Elektroarbeiten
  • Telekommunikationsanlagen
  • Schießanlagen der Polizei
  • Straßen- und anderer Tiefbau
  • Gleisbau
  • Lärmschutzfenstereinbau
  • Estricharbeiten
  • Schutzplankenbau
  • Brunnenbau
  • Abwasseranlagen
  • Abfallentsorgung
  • Fahrschulen
  • Anzeigenpreise in Tagespresse
  • Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser
  • Ausschreibung von Vertragsarztsitzen

Ein Lieferant darf auch nicht durch die Androhung einer Liefersperre oder auch nur -reduzierung einen Händler dazu bewegen, die „unverbindlich“ empfohlenen Endverkaufspreise einzuhalten.

Dieser Tatbestand gewinnt zunehmend an Bedeutung, wenn kleine und mittelgroße Händler mit hohem Aufwand einen Online-Shop aufgebaut haben und dort Markenware zu günstigen Preisen absetzen wollen. Hersteller dürfen bei der Auswahl ihrer Händler zwar bestimmte Qualitätsanforderungen stellen. Auf die Preisgestaltung darf aber kein Einfluss genommen werden. In Einzelfällen mit wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen in Hessen steht die Landeskartellbehörde den Einzelhändlern hilfreich zur Seite.

Ebenso ist jede Nachteilsandrohung oder -zufügung und jedes Versprechen oder Gewähren von Vorteilen verboten, das andere Unternehmer zu einem Verhalten veranlassen soll, das nach dem Kartellgesetz verboten ist (§ 21 Abs. 2 GWB).